Gazelle Magazin

„Jung, Erfolgreich, Türkisch“ – Türken mal anders

Von Eleonora Roldán Mendivil

Der 40-jährige Erkan Arikan war Redaktionsleiter beim Interkulturellen Radioprogramm FUNKHAUS EUROPA des WDR in Köln und arbeitet seit 2008 in der Redaktion von ARD Aktuell. Mit Murat Ham, einem Diplom-Politikwissenschaftler und ausgebildeten Journalist, stellt er in dem Buch „Jung, Erfolgreich, Türkisch“, erfolgreiche Deutsch-Türken vor, um einerseits Mut zu machen, andererseits Berührungsängste abzubauen. In der von Thilo Sarrazin entfachten Integrationsdebatte ein Buch, dass man gelesen haben sollte.

Wenn die Mehrheitsgesellschaft an junge Türken oder Deutsch-Türken denkt, denkt sie meist nicht an gelungene Werdegänge und erfolgreiche Karrieren. Bedingt, vor allem durch die Axel-Springer-Medien, hat ein Großteil der deutschen Gesellschaft das Bild des Schlägers und Ehrenmörders, der Zwangsverheirateten und Unterdrückten vor Augen.

Erkan Arikan und Murat Ham gehen mit ihrem Buch „Jung, Erfolgreich, Türkisch“, genau auf diese Problematik ein und porträtieren hierzu 16 erfolgreiche Deutsch-Türken. Die „Problematik“ besteht nicht darin, dass es überdurchschnittlich viele kriminelle und gewaltbereite Migranten oder Deutsche mit Migrationshintergrund gibt, sondern darin, wie sie in den Medien dargestellt und von der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen werden. Keiner bestreitet, dass es auch bei Migranten oder Deutschen mit ausländischen Wurzeln Kriminalität und Unwissenheit gibt, jedoch zeigen Erkan Arikan und Murat Ham in ihrem Buch klar: Ja, eine positive Integration ist in Deutschland durchaus möglich. Vorbilder gibt es genug – nur wird über sie -da sie oft unauffällig sind – fast nicht berichtet.

Auf durchschnittlich zehn Seiten werden die Werdegänge der Porträtierten in Dialogform geschildert. Zwischendurch bereichern faktische, sozio-kulturelle sowie politische Informationen die einzelnen Geschichten und unterstreichen somit die Hauptaussage des Buches: Dies sind nicht nur Einzelfälle. Gut integrierte und erfolgreich lebende Deutsche mit ausländischen Wurzeln findet man in jeder Stadt und in jeder Ortschaft.

Bei einer Buchvorstellung am 4. September in Berlin betont Erkan Arikan, dass ihm in den anderthalb Jahren Recherche wichtig war, Menschen jenseits des Rampenlichts zu porträtieren. Das Portrait der Geschwister Nurten und Kerim Pamuk, welche in den späten 1970er Jahren – im Grundschulalter – zu ihren „Urlaubseltern“ – sie sahen sie nur in den Schulferien in der Türkei – nach Hamburg zogen, berührt und ermutigt besonders. Einfühlsam erzählt ihre Geschichte von Sprachbarrieren und fast fremden Eltern, von einem schweren Start und harter Arbeit, von zwei Erfolgskonzepten, einer Gynäkologin und einem Schriftsteller und Kabarettisten.

In „Jung, Erfolgreich, Türkisch“ wird sichtbar, wie türkische Namen in der Deutschen Forschung, Gastronomie, Kunst, Literatur, Medizin, Musik, Politik und Wirtschaft immer mehr an Wichtigkeit gewinnen. Arikan und Ham zeigen gekonnt und mit viel Feingefühl einzelne Geschichten, die jedoch die Lebenserfahrung eines großen Teils der Deutschen Gesellschaft aufgreifen und widerspiegeln; ob türkisch oder nicht. Deutschland ist ein Einwanderungsland und fest steht, dass es sich Deutschland gar nicht leisten kann, bei der Integrationsthematik wegzuschauen, denn in nur zehn Jahren wird jeder vierte Deutsche einen so genannten Migrationshintergrund oder Zuwanderungshintergrund aufweisen können.

Integration heißt aber dennoch nicht Assimilation

Nur mit offensiver Arbeit kann man schließlich, peu à peu, etwas erreichen. Arikan unterstreicht, bei seiner Buchvorstellung, die Unumgänglichkeit von der Minderheitsgesellschaft, Schritte hin zur Mehrheitsgesellschaft zu machen: „DU musst dich aktiv integrieren, deutsche Bekannte zu Freunden machen und zusammen mit ihnen zum Beispiel auch Weihnachten feiern.“

Schlussendlich ist das „Deutsch sein“ ja eh ein „sich Deutsch fühlen“. Integration heißt aber dennoch nicht Assimilation. Die Sprache und die Kultur der Herkunftsländer möge man nicht vergessen. Deutlich wird: Angekommen ist man dann, wenn man die positiven Elemente verschiedener Kulturen in sich aufnimmt und aktiv lebt.

Aber: Auch in der Mehrheitsgesellschaft muss ein Umdenken stattfinden, bei dem aktive Multikulturalität belohnt wird und nicht Anreiz zu Diskriminierung ist.

Auch wenn sich in Tonalität, Struktur und Inhalt oft vielleicht schon zu ähnliche Züge in den einzelnen Porträts lesen lassen: Erkan Arikan und Murat Ham leisten mit ihrem Buch einen wichtigen Beitrag zur Integrationsthematik und geben gerade jungen Deutschen mit ausländischen Wurzeln weitere Vorbilder. Vielen Dank hierfür.

Quelle: Gazelle Magazin, 7. Juli 2011